VBIO

Genome Editing bei Pflanzen: Vorschlag für einen pragmatischen Umgang im aktuellen Rechtsrahmen

Der VBIO hat im September 2016 gemeinsam mit einigen seiner Mitgliedsgesellschaften ein Impulspapier vorgelegt, das einen pragmatischen Umgang mit den Methoden des Genome Editing vorschlägt. Darin werden die derzeit diskutierten Methoden des Genome Editing drei Gruppen zugeordnet, die in unterschiedlichem Maße dem geltenden Gentechnikrecht unterliegen bzw. nicht unterliegen.

In den letzten Jahren hat sich die Entwicklungmolekularbiologischer Techniken rasant beschleunigt. Die neuen Verfahren, allen voran das sogenannte Genome Editing, zu deren Werkzeugen neben TALEN, Zinkfingernukleasen und ODM auch das CRISPR-Cas9-System gehören, erlauben es, das Erbgut von Organismen punktgenau und mit hoher Präzision zu verändern. Die Veränderungen lassen sich dabei mitunter nicht von jenen unterscheiden, die in der Natur vorkommen oder mit Hilfe konventioneller Methoden erzeugt werden. Allerdings werden die gewünschten Ergebnisse deutlich schneller und zielgerichteter erlangt als mit herkömmlichen Verfahren der Selektion.

Die neuen Verfahren haben in der Grundlagenforschung bereits zu einem erheblichen Erkenntnisgewinn in verschiedenen biowissenschaftlichen und biomedizinischen Disziplinen beigetragen. Ihr Anwendungspotential (z. B. in der Behandlung von Krankheiten) lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht endgültig abschätzen, gibt aber zu großen Hoffnungen Anlass.

Die Methoden des Genome Editing sind auch für Pflanzenzüchter vielversprechende  Präzisionsinstrumente, um Nutzpflanzen mit besseren Eigenschaften auszustatten. Ausstehend ist allerdings eine Entscheidung dahingehend, inwieweit mittels Genome Editing bearbeitete Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu betrachten sind und damit dem Gentechnikrecht unterliegen. Dies führt bei Wissenschaftlern und Züchtern zu großen Unsicherheiten.

Die sich rasch entwickelnden Methoden des Genome Editing stellen die staatlichen Akteure in Hinblick auf den Gegenstand der Regulierung und die Schnelligkeit der Entwicklung zweifelsohne vor große Herausforderungen. Es bedarf dabei einer sorgfältigen Abwägung von Stärken und Schwächen und möglicher Risiken der neuen Methoden mit dem Ziel, eine verantwortungsvolle Anwendung des Genome Editing in der Pflanzenforschung auch zukünftig zu ermöglichen. Zur Einschätzung des Genome Editing liegen bereits Stellungnahmen verschiedener wissenschaftlicher Akteure vor.

Im Folgenden präsentiert der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e. V.) gemeinsam mit Mitgliedsgesellschaften aus den Bereichen Botanik, Molekularbiologie und Biotechnologie einen Impuls für einen pragmatischen Umgang mit demGenome Editing in der Pflanzenforschung. Mit der abschließenden Empfehlung soll ein Weg aufgezeigt werden, wie die Chancen des Genome Editing auch im Rahmen der geltenden gentechnischen Regularien genutzt werden können. 

 

Genome Editing in Pflanzenforschung und -züchtung
Bei der herkömmlichen Pflanzenzüchtung werden zufällig auftretende oder absichtlich induzierte, aber nicht gerichtete Mutationen im Pflanzengenom genutzt, ohne dass genau bekannt wäre, an welcher Stelle im Genom die Veränderung vorliegt und wie sie beschaffen ist. In einem Selektionsprozess müssen aus vielen unerwünschten Veränderungen die Erwünschten herausgelesen werden. Mit den Verfahren des Genome Editing ist es dagegen möglich, punktgenaue Mutationen im Erbgut zu erzeugen. Es wird eine vorab definierte Stelle im Erbgut angesteuert, um die DNA an dieser Position zu schneiden. An dieser Position können nun folgende Veränderungen erfolgen: 

1. Ohne weiteren Eingriff repariert die Zelle den DNA-Bruch. Dadurch kann an der betroffenen Stelle eine Mutation (Punktmutation, kurze Deletion oder Insertion) entstehen (Genome Editing 1 bzw. GE-1). Durch Weiterentwicklung des CRISPR-Cas9-Verfahrens ist es darüber hinaus vor kurzem möglich geworden, einzelne Nukleotide gezielt zu mutieren, ohne dass dabei die DNA zuvor geschnitten wird Das neue Verfahren wurde bisher zwar nicht an Pflanzen erprobt, jedoch steht einer Anwendung dieser Technologie in der Pflanzenzüchtung prinzipiell nichts entgegen. Auch bei der Anwendung der ODM-Technologie, bei der Veränderungen im Genom durch die Behandlung von Zellen mit kurzen Nukleinsäure-Strängen herbeigeführt werden, entstehen Punktmutationen, ohne dass die pflanzliche DNA mittels einer Nuklease geschnitten wird. Diese und weitere molekularbiologische Technologien, die zu ähnlichen Veränderungen im Genom führen (gezielte Punktmutationen, kurze Deletionen oder Insertionen) oder solche, die lediglich die Methylierung von DNA-Bausteinen bewirken (ohne Veränderung der DNA-Sequenz selbst),werden hier allgemein unter GE1-Verfahren zusammengefasst.

2.  Wird ein Stück DNA in die Zelle eingebracht, das nahezu identisch zur ursprünglichen Sequenz ist, aber einzelne Änderungen in der Basenfolge enthält, so nutzt die Zelle diese DNA als Vorlage, um den Bruch zu schließen. Im Ergebnis wird die neu eingebrachte DNA in das Genom der Zelle integriert (GE-2).

3.  Wird DNA in die Zelle eingebracht, die neben der ursprünglichen Sequenz ein längeres DNA-Fragment (mehr als 20 Basen) oder ein komplettes Gen eines anderen Organismus beinhaltet, so kann die Zelle dieses neue Gen bei der Reparatur an der Bruchstelle einbauen (GE-3).

Pflanzen, die aus GE-1 und GE-2-Verfahren hervor gehen, lassen sich nicht von Pflanzen unterscheiden, die auf Basis herkömmlicher Verfahren der Mutagenese oder durch spontane Mutation entstanden sind.  In der Natur kommen derlei Mutationen ständig vor. Sie sind der Motor der Evolution. Nur bei GE-3-Methoden wird ein längeres DNA-Fragment eingefügt, das dann auch leicht mittels molekulardiagnostischer Verfahren (z.B. PCR) nachgewiesen werden kann.

 

Bewertung
Ob die neuen Züchtungstechniken GVO nach dem Gentechnikrecht erzeugen und die so erzeugten Produkte in der Konsequenz dem geltenden Gentechnikrecht unterliegen, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es ist nicht ausschlaggebend, dass bei der Anwendung der Technik eine genetische Veränderung durch Menschenhand erzeugt wird. Es muss vielmehr berücksichtigt werden, ob die mit den neuen Methoden erzeugte Veränderung auf natürliche Weise hätte entstehen können – vgl. § 3 Gentechnikgesetz (GenTG). Daraus folgt, dass die meisten neuen Züchtungstechniken, darunter auch das CRISPR-Cas9-Verfahren, je nach Anwendungstyp (siehe oben) sowohl einen GVO als auch einen Nicht-GVO erzeugen können.

Entscheidend – und für die folgende Empfehlung grundlegend – ist das Fehlen bzw. das Vorhandensein von längeren DNA-Fragmenten von mehr als 20 Basen oder von kompletten Genen anderer Organismen in den mittels Genome Editing erzeugten Pflanzen. Dabei geht die vorgeschlagene Bewertung von GE-1- und GE-2-Methoden davon aus, dass die mit diesen Verfahren erzeugten Pflanzenlinien keine Transgene enthalten; dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn zwischenzeitlich Transgene für technische Komponenten des jeweiligen Verfahrens im Genom der Pflanze integriert waren, diese aber anschließend entfernt wurden, beispielsweise durch Auskreuzen.

 

Empfehlung
Für eine sachgerechte Herangehensweise auf der Basis des geltenden rechtlichen Instrumentariums bietet sich aus unserer Sicht folgender Umgang mit den Methoden des Genome Editing im Bereich der Pflanzenforschung an:

  • Mit GE-1- und GE-2-Methoden des Genome Editing hergestellte Pflanzenlinien fallen nicht unter die Begriffsbestimmung nach § 3.3 des geltenden Gentechnikgesetzes, welcher ausdrücklich nur die Organismen als gentechnisch verändert einstuft, deren „genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt“.
  • Mit GE-1- und GE-2-Methoden erzeugte Produkte sind in Bezug auf die Sicherheit für Anwender und Konsumenten als gleichwertig zu solchen aus konventioneller Züchtung zu beurteilen. Sie sollten damit auch den gleichen Regularien unterliegen. Für die Produkte müsste folglich zwar keine spezielle Risikoprüfung nach Gentechnikrecht durchgeführt werden, gleichwohl ist derjenige, der Lebensmittel in den Verkehr bringt, dafür verantwortlich, dass diese Lebensmittel den Bestimmungen der Lebensmittelbasisverordnung (EG) Nr. 178/2002 entsprechen. Analog sollten mit GE-1- und GE-2-Methoden erzeugte Pflanzen für die Durchführung von wissenschaftlichen Freilandstudien wie Pflanzen aus konventioneller Züchtung beurteilt werden. 
  • Mit GE-3-Methoden des Genome Editing hergestellte Pflanzenlinien unterliegen den Regelungen des Gentechnikrechts.

 

Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO) und die in ihm organisierten, mitzeichnenden Fachgesellschaften setzen große Erwartungen in die Anwendung von Genome Editing – Verfahren in der Pflanzenforschung und Pflanzenzüchtung. Der VBIO und seine Fachgesellschaften würden es daher sehr begrüßen, wenn sich die damit befassten Ministerien und Behörden der oben skizzierten sachgerechten Auslegung anschließen könnten.

Wir hoffen auf eine zeitnahe und differenzierte Klarstellung der rechtlichen Situation durch die EU-Kommission und bitten Sie eindringlich, sich dort dafür – wie hier vorgeschlagen - einzusetzen. Als wissenschaftliche Ansprechpartner bieten wir gerne und ausdrücklich unsere Unterstützung an.
 

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